Methodischer Grundsatz: In der Übertreibung liegt die Anschauung
Jeder Englischlehrer weiß: Ab ein Uhr lass‘ die Arbeit ruh’n und widme dich dem Afternoon. Das heißt dann meist Tennis oder Golf, wie sich eben die Klischees über Lehrer an den Stammtischen und bei vielen Eltern halten: 12 Wochen unterrichtsfrei, schwach in der Performance vor der Klasse, Beihilfeanspruch und üppige Besoldung.
Wenn angestellte (!!) Lehrer im März 2015 mit Unterstützung der GEW und mit Streik mehr Gehalt fordern, auch weil viele befristet beschäftigt sind und für die großen Ferien ohne Bezüge „freigestellt“ werden, dann hat der Lehrer allen Grund dazu. Denn zu den beamteten Kollegen gibt es zu große Unterschiede,
Damit sind die Forderungen der angestellten Lehrer gerechtfertigt, auch wenn kaum einer von ihnen mehr darauf eingehen will, mit welchen Klischees man den Lehrerberuf überzieht…
1. Lehrer sind nicht kündbar!
Falsch, denn nur noch 80 von 100 Lehrer haben den Beamtenstatus. Die anderen sind angestellt und somit kündbar, auch wenn es je nach Bundesland deutliche Unterschiede gibt.
2. Lehrer verdienen zu gut!
„Viel führt man auf dem Wagen nach!“, weiß der Bauer, auch wenn Lehrer zwischen 2.800 und 3.800 Euro brutto pro Monat bekommen; Grundschullehrer weniger als ihre gymnasialen Kollegen; Bayern zahlt am meisten, Sachsen den angestellten, Rheinland-Pfalz den verbeamteten Lehrern am wenigsten.
Wissen muss man, dass junge Hochschulabsolventen im ersten Jahr ihres Berufslebens rund 3.400 Euro monatlich erhalten; im Bankensektor gibt es 4.400 Euro im Durchschnitt. Und auch im Fahrzeugbau mit 4.380 Euro und in der chemischen Industrie mit rund 4.350 Euro sind die Verdienstmöglichkeiten deutlich höher als im Schulbetrieb.
3. Mittags hat der Lehrer frei!
Ex-Kanzler Gerhard Schröder war ’s, der Lehrer als „faule Säcke“ sah und in seinem Sinne sahen noch 2012 je 71 von 100 Deutschen den / die Lehrer mit zuviel an Ferien. Jeder Zweite stimmte zu, dass Lehrer angenehm geregelte Arbeitszeit hätten (da lacht so mancher über seinen miesen Stundenplan, den der SL-Stellvertreter „bastelte“) und Lehrer nur vier unbezahlte Überstunden (MAU) pro Monat leisten müssten…
Doch die Realität ist anders, wie eine von der GEW geförderte Studie der Göttinger Bildungsforscher Mußmann und Riethmüller 2014 beweisen konnte: die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt bei 49 Stunden und 44 Minuten. Ein Wert, der über dem ‚Beamtensoll ‚ liegt, und bei dem die Vor- und Nachbereitungszeit der Unterrichtsstunden, knapp die Hälfte der Unterrichtszeit (für die Oberstufe 25 h/Woche) ausmacht. Mehr als wohl von den Meisten angenommen…
4. „Schlächte Schühler wärden Leerer!“
Eine Klischee, das angeblich stimmt…zumindest nach dem Hochschulbildungsreport 2020, einer Studie von McKinsey und des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft. Demnach ist der Lehrerberuf nix für Einser-Abiturienten, eher für die mit schlechteren Noten.
Den „Streben“ von einst fehle im Lehrerberuf die mögliche Karriere, wo doch beim Oberstudienrat mit A 14 (= 5000.- Euro Endstufe) meist Schluss ist.
Die Besten unter den Besten geben vor, im Berufsleben nicht immer die gleiche Tätigkeit machen, zu wollen. Oha, meinen dazu dann wohl der Architekt, der Apotheker und der Zahnarzt…wie geht das denn…?
Sind auch Noten nicht der Maßstab für spätere pädagogische Qualität, kann und darf man einem pädagogischen Pensionär nach 40 Berufsjahren glauben, dass keinesfalls nur Lehrer mit sehr gutem Fachwissen auch den Unterrichtsstoff sehr gut vermitteln könnten. Die vermeintlich „schlauen“ Lehrer, je nach Fach zum StDir avanciert, glauben nämlich stets, den Stoff auf niedriges Schülerniveau „runterbrechen zu müssen“, was immer dies in Deutsch, Geografie oder Betriebswirtschaft bedeutet.
Leider gilt als Problem, dass Abiturienten mit Interesse am Lehrerberuf dann doch die notwendigen Eigenschaften für den Berufsalltag fehlten: Durchsetzungskraft als eigene Qualität, Selbstvertrauen als persönliche Stärke. Kompetenzen, die man sich zwar auch aneignen kann, doch die Universitäten müssen dabei unterstützen…
5. Bloß unterrichten – nix für mich!
Bis Ende der 60er war Lehrers Dasein ein „bestens bezahlter Halbtagsjob“; er hatte „vormittags recht und nachmittags frei“.
Doch die traditionell-konservativen Methoden mit Tafelanschrieb und Umdruck-Arbeitsblatt änderte sich.
Die Ansprüche an Didaktik und Methodik wurden höher, auch bei den Schülern und den Eltern.
Der Lehrerberuf wurde komplexer, vor allem auch die hohe Arbeitsbelastung unter sozialen Aspekten.
Jeder zweite Lehrer hält deswegen das Schulleben in den vergangenen fünf bis zehn Jahren für deutlich anstrengender, verbunden mit dem Ergebnis, dass jeder Dritte an einer psychischen Erkrankung leide.
Auch die seit 2009 eingeforderte Inklusion körperlich oder geistig benachteiligter Kinder fordert den Lehrberuf stark, weil man hierin zu wenig geschult sei und der Betreuungsschlüssel zu hoch.
Der Stammtischler resümiert: Euch geht’s gut, und meint damit den Lehrer mit seinen 40 Berufsjahren, aber ich wollt‘ die Jugend nicht unterrichten…
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